Erfüllung statt Erschöpfung, Freude statt Frust, Erfolg statt Scheitern – wie wir auch im letzten Drittel unserer Karriere noch unser Potenzial entfalten und einen Neustart hinlegen können.
So klingt ein gutes Gefühl zur Arbeit: „Ich gehe in meinem Beruf auf.“ So klingt ein bedauerndes: „Meine Arbeit habe ich immer überdurchschnittlich gut verrichtet, ich hätte aber ganz andere Chancen haben können.“ Und so klingt ein Abgesang: „Meine Arbeit hat mir keinen Spaß gemacht. Ich habe meine Seele verkauft. Ich habe mich verbogen.“
Möchten Sie Ihrer Berufung auf die Spur kommen? Ich biete dazu Coachings an.
Drei Zitate aus meiner Umfrage zu Kriegsenkel-Karrieren aus dem Oktober 2021. Der mittlerweile sprichwörtliche Satz von Sabine Bode, die Kriegsenkel führten ihr Leben wie mit angezogener Handbremse, hatte mich zu dieser Umfrage veranlasst. Ich wollte genauer wissen, wie sich das im Berufsleben zeigt. Und tatsächlich sprach aus vielen der Antworten das Gefühl, das eigene Potenzial nicht annähernd ausgeschöpft zu haben, unter den eigenen Möglichkeiten geblieben zu sein: „Ich habe sehr viel Kraft gelassen für wenig Erfolg.“
Die Ursachen für Erfahrungen des Scheiterns
Aber worin liegen die Ursachen der zahlreichen Erfahrungen des Scheiterns? Tatsächlich führen viele Spuren, wie so oft bei uns Kriegsenkeln, in eine unbewältigte Familiengeschichte.
1. „Ich weiß gar nicht, was meins ist.“
Aus der unsicheren Bindung der Kindheit, in der es vor allem darum ging, den Erwartungen der Eltern zu entsprechen, ist eine tiefe Selbstunsicherheit erwachsen. Das ist kein Gedanke, mehr ein Gefühl, das sich in Fragen wie diesen zeigt: „Wer bin ich eigentlich, was fühle ich wirklich, was sind meine echten Empfindungen?“ Das ist eine elementare Ebene. Wir bremsen uns innerlich aus. „Ich bin noch gar nicht bei mir angekommen – wie soll ich da etwas in Angriff nehmen, was meins ist?“
2. „Ich bin im falschen Beruf.“
Aus dieser Unsicherheit heraus haben viele von uns Berufe gewählt, die eine sichere Perspektive zu bieten schienen. Wie meine Umfrage zeigt, spielten die Eltern dabei eine wichtige Rolle. Das immer noch stark hierarchisch geprägte Verhältnis zwischen Eltern und Kindern der 70er und 80erjahre ließ wenig Spielraum. Und so erlebten viele unsere Generation das Phänomen, das Psychologen „Delegation“ nennen: Die Familie weist den Nachkommen eine Aufgabe zu.
Die oft unbewussten Mechanismen konnten vom Neid eines Elternteils geprägt sein: „Wenn ich das nicht hatte, darfst du das auch nicht haben!“ Oder von narzisstischer Inanspruchnahme: „Ich konnte nicht Ärztin werden, ich erwarte aber von dir, dass du Ärztin wirst.“ Das Ergebnis in beiden Fällen: Der Beruf mag ein sicheres Einkommen bieten – Erfüllung aber nicht. Und damit eben auch nicht das Gefühl, mit Energie und Freude der eigenen Berufung zu folgen.
3. „Ich bin in der Loyalität meiner Familie gefangen.“
Nicht selten wirkten bei der Berufswahl der Kinder verborgene transgenerationale Prozesse. „Es ist auffallend, dass viele Kinder aus Täter:innen-Familien in psychosozialen Berufen tätig sind“, hat der Familientherapeut Professor Wolf Ritscher festgestellt. Sie erleben einen Drang, sich in ihrem Beruf für andere aufzureiben.
Häufig steckt auch hier eine Delegation der Familie. Das damit verbundene Gefühl: „Ich muss etwas gutmachen“ – ohne freilich zu wissen, was das eigentlich ist. Vor allem die Enkel sind es, die eine verdrängte und abgewehrte Schuld der Vorfahren ausgleichen, eine Last aus Krieg und Nazi-Zeit. Die Enkel empfinden für sich die Aufgabe, die „Gerechtigkeitsbilanz“ der Familie wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Was sie selbst bewegt, darf oft erst nach einer Weile an die Oberfläche kommen. Wenn genug von der Schuld, die gar nicht ihre war, abgegolten wurde.
4. „Meine Glaubenssätze bremsen mich aus.“
In Büchern, Seminaren, Coaching ist es stets präsent: das ganze Bündel von negativen Glaubenssätzen, das wir „Kriegsenkel-Mindset“ nennen können. Es klingt so:
- Du bist nicht gut genug.
- Du darfst keine Fehler machen.
- Pass dich an und fall nicht auf.
- Du würdest gerne, schaffst es aber nicht.
- Karriere ist nur für Egoisten.
- Arbeit, die Spaß macht, ist keine richtige Arbeit.
Diese Glaubenssätze ins Bewusstsein zu holen, ist ein Akt der Befreiung. In einem nächsten Schritt geht es dann darum, neue zu verankern, die zu unseren heutigen Bedürfnissen passen – das alte, dysfunktionale Mindset gegen ein unterstützendes, freudvolles zu tauschen.
Die Wege zu Sehnsucht und Erfüllung
Damit sind wir bei den Lösungen für diese transgenerationale Verstrickung angekommen. Ich schlage vier Dinge vor.
1. Ich nehme meine Gefühle wahr und wichtig.
Eigentlich empfinden die meisten von uns ziemlich klar, was zu uns passt und was nicht. Wir gestehen es uns nur oft nicht ein. Der Kopf sagt, das Gefühl sei falsch. Aber wer lange genug Unlust, Langeweile und Überforderung ertragen hat, mag auch diesen Gedanken vorsichtig zulassen: „Was ich tagtäglich tue, ist schädlich. Ich muss jetzt etwas ändern!“ Am besten, bevor ein Burn Out oder körperliche Symptome den Stecker ziehen.
2. Ich mache mir meine Ressourcen bewusst.
„Was soll ich denn tun, ich kann doch nichts anderes!“ Diesen Satz höre ich immer wieder – und es fällt oft ganz leicht, ihn zu widerlegen. Denn in jeder beruflichen Tätigkeit ist eine Vielzahl von Stärken und Fähigkeiten geborgen, die sich auch völlig anders nutzen lässt. Und in jedem von uns stecken Talente und Leidenschaften, die ihren Ausdruck suchen.
3. Ich gebe meiner Sehnsucht eine Chance.
Wer seiner Berufung folgen möchte, muss nicht sofort den Job kündigen, der den Lebensunterhalt sichert. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich neue Fertigkeiten zu erarbeiten und sanfte Übergänge zu schaffen. Seien wir kreativ! Und auch das kann man trainieren.
4. Ich hole mir Unterstützung.
Die Strukturen, die es schließlich aufzubrechen gilt, können dennoch mächtig sein. Es sind nicht nur die Routinen, die wir verlassen wollen, sondern auch die Erwartungen der Familie. Diesen Aufbruch zu wagen, erfordert Mut, Kraft und Beharrlichkeit. In Therapie, Coaching oder Ausbildungsgruppe finden wir die Unterstützung, die uns aufbrechen und durchhalten lässt.
Dass es sich lohnt, zeigt das Beispiel einer 61jährigen Frau, die ich gut kenne. Ihr Berufsweg führte sie zu später Blüte: vor einem Jura-Studium mangels Selbstbewusstseins zurückgeschreckt, Sozialpädagogik studiert und als Sozialarbeiterin tätig gewesen, für die Kinder die Arbeit aufgegeben, ein Neustart mit 48, zuerst wieder in der Sozialarbeit, dann Fortbildungen in Kinesiologie und Reiki, eine Selbstständigkeit mit einer Schmuckwerkstatt – um mit 57 endlich der wahren Leidenschaft eine Chance gegeben: Schriftstellerin.
Das zufriedene Resümee vier Jahre später: „Jetzt habe ich die Arbeit, die ich wirklich liebe.“