Mit dem richtigen Mindset gelingt ALLES. Tatsächlich?

Mit einem neuen Mindset können wir uns auf Erfolg, Glück und Fülle orientieren. Wenn wir einen zentralen Aspekt nicht ignorieren.
Mindset – die Orientierung auf Glck, Erfolg und Fülle

Mit den neuen Glaubenssätzen eines Mindset können wir uns auf Erfolg, Glück und Fülle orientieren. Wenn wir einen wichtigen Aspekt nicht ignorieren: unsere frühkindlichen Prägungen und den Gefühlserbschaften der Familie.

„Mindset“ ist das neue Buzzword im Coaching. Das Mindset, so heißt es in der einschlägigen Literatur, ist das Fundament für ein erfolgreiches und glückliches Leben, und jede und jeder von uns kann es entwickeln. Wir müssen nur an uns selbst glauben, uns mit den richtigen Menschen umgeben, uns achtsam selbst reflektieren – und dann einfach loslegen.

Sätze, die Erfolg bringen sollen

Zu den Sätzen, die wir uns immer wieder vergegenwärtigen sollen, bis sie sich in unsere Denkweisen, Überzeugungen und Handlungsmuster eingegraben haben, gehören Aussagen wie diese:

  • Ich kann alles lernen, was ich will.
  • Wenn ich frustriert bin, halte ich durch.
  • Wenn ich scheitere, lerne ich.
  • Für Erfolg strenge ich mich gerne an.
  • Mein Einsatz und meine Einstellung bestimmen alles.

(zitiert nach: barrierefrei-im Kopf.de)

Glaubenssätze bestimmen unser Handeln

Tatsächlich bestimmen Glaubenssätze unsere Wahrnehmung und unser Handeln – vor allem unbewusste. Wenn es da einen Satz gibt, der uns sagt, „das hast du nicht verdient“, dann wird jede Ahnung von Fülle oder Genuss einen unbewusste Abwehrreflex auslösen, der uns scheitern lässt. Und natürlich gibt es etliche solcher begrenzenden Glaubenssätze, zumal in der Generation der 1960 bis 1980 Geborenen (ich habe einen Blogbeitrag dazu geschrieben: „Freu‘ dich bloß nicht zu früh!“ ).

Sie ins Bewusstsein zu holen, etwa in einem Coaching, ist ohne Zweifel ein Akt der Befreiung. Und es spricht überhaupt nichts dagegen, neue Glaubenssätze zu verankern, die zu unseren heutigen Bedürfnissen passen. Ob das nun vorm Schlafengehen sein muss, wie manche Ratgeber empfehlen, sei dahingestellt (die Vorstellung dahinter ist, dass die neuen Sätze, als Affirmationen immer wieder memoriert, während des Schlafs ins Unterbewusstsein einsickern).

Die Schwächen des Konzepts Mindset

Warum sehe ich das Konzept des Mindset kritisch?

  1. Weil es als Heilsversprechen daherkommt.
  2. Weil es ignoriert, dass wir als soziale Wesen in eine Gemeinschaft eingebunden sind. Jede Änderung unseres Verhaltens löst womöglich Konflikte aus, die bearbeitet werden müssen. Das kann ein mächtiges Hindernis sein.
  3. Weil es unsere frühkindlichen Prägungen ignoriert und behauptet, wir könnten unsere Art wahrzunehmen und zu handeln genauso neu anlegen, wie ein Bauer sein Feld mit Mais bepflanzen kann, wo er vorher Roggen angebaut hat.

Frühkindliche Prägungen als Hindernis

Dieser dritte Punkt erscheint mit der zentrale. Wichtige Anteile unseres Charakters werden in unserer frühen Kindheit geprägt. Wenn wir in jenen Jahren eine sichere Bindung und eine positive Unterstützung unserer Ausflüge in die Welt erlebt haben, dann ist das eine gute Basis für Glück, Erfolg und Erfüllung im Leben. Leider war das bei vielen von uns (mich eingeschlossen) nicht der Fall.

In diesen ersten Monaten und Jahren wurde tief eingeprägt, was uns heute behindert. Sätze wie: „Ich bin es nicht wert (denn sonst hätte sich meine Mutter ja um mich gekümmert).“ Oder: „Ich schaffe es eh‘ nicht (denn sonst wären die Eltern ja gekommen, als ich ihre Hilfe brauchte).“ Oder: „Ich muss es allen recht machen (denn sonst werde ich abgelehnt).“ Alles Sätze, die einem positiven Mindset diametral entgegenstehen.

Gefühlserbschaften der Familie blockieren den Erfolg

Zudem können wir nachhaltig vom Gefühlserbe der Familie gebremst, womöglich blockiert sein, wenn uns transgenerationale Traumata belasten – also traumatische Erfahrungen, die unsere Eltern oder Großeltern erlitten haben. Die Psychoanalyse gibt uns eine Erklärung für diese befremdlich anmutenden Phänomene. Danach sind es die nicht-integrierten Persönlichkeitsanteile der Vorfahren, die auf die nächsten Generationen übertragen werden. Nicht-integriert bedeutet: Die Menschen früherer Generationen haben das schreckliche Erleben verdrängt, abgespalten, nicht betrauert oder gesühnt und damit eben auch nicht verarbeitet. Und genau deswegen wurde es zum Gefühlserbe, das auf die nächsten Generationen überging und übergeht.

Wenn das Unbewusste rebelliert

Was passiert nun, wenn wir uns endlich auf Fülle, Erfolg und Glück orientieren? Es entsteht eine enorme Spannung. Die neue Ausrichtung kollidiert mit den existenziellen Nöten, die tief in unserem System gespeichert sind. Wir bekommen schlechte Laune, Bauch- oder Kopfschmerzen, Verspannungen oder erleben unerklärliche kleine Unfälle. Das Unbewusste rebelliert. Oder wir verlieren nach kurzer Zeit den Fokus und bestätigen uns aufs Neue, dass wir es einfach nicht können.

Was tun? Das neue Mindset einfach wieder fallen lassen und uns einem trüben Schicksal ergeben?

Der Konflikt um das Mindset weist den Weg

Oh nein! Denn genau jetzt wird es interessant! Dieser innere Konflikt, den wir gerade erleben, weist den Weg zu innerer Freiheit und Heilung. Nur ist die Aufgabe nicht, noch mehr Affirmationen vorm Schlafgehen zu memorieren. Jetzt geht es vielmehr darum, die existenzielle Not noch einmal zu spüren, die für unsere inneren Blockaden verantwortlich ist. Den Schmerz der Einsamkeit, die Scham des Versagens.

Ein Thema fürs Coaching oder eine Therapie.  Mit Geduld und Mitgeühl. Manche Dinge lassen sich einfach nicht niedermeditieren oder -affirmieren. Wollen wir mal darüber telefonieren?

Wichtigen Input für diesen Beitrag habe ich von der Traumatherapeutin Sonika Husfeld-Suethoff bekommen.

Foto: iStock

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